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Royal Academy of Music Soloists Ensemble & Trevor Pinnock - Mahler: Symphony No. 4 - High Res Mac

Schmeichelhaft, gefühlvoll und zart - der Auftakt allein ist schon vielversprechend. Wobei es gar nicht Mahlers Symphonie No. 4 ist, mit der Trevor Pinnock und das Royal Academy of Music Soloists Ensemble starten und deren Name auf dem Cover des Linn Albums prangt. Es sind die Prelude a l'apres-midi d'un faune von Claude Debussy, die als erstes ihre Klänge in den Raum tragen. Und dann kommt Mahler.

Und schon von den ersten Takten an ist klar: Mit Debussy wurde nicht zu viel versprochen. Die folgende knappe Stunde ist eine akustische Delikatesse. Trevor Pinnock wird seinem Ruf als Meister der Intonation klassischer Klänge mehr als gerecht, und zu seinem Glück hat er einen profunden Tonmeister an seiner Seite.

Schon der erste Satz bedächtig ist klanglich präzise und von harmonischer Opulenz. Die Musik fließt in den Raum, die Instrumente sind wunderbar zu lokalisieren und übersichtlich gestaffelt, betonte Instrumente heben sich korrekt verortet für ihren Moment sensibel hervor, um sich gleich danach wieder im gemeinsamen Spiel einzuordnen - ein weitere Thema:

Das Royal Academy of Music Soloists Ensemble versteht es, Pinnocks Leitung in harmonischen Klang zu überführen. Die Musiker reizen die Spielräume aus, ohne zu überreizen, und schaffen hierdurch ein sehr fein austariertes Klangbild, das die Stimmung, die in Mahlers sehr ruhiger Komposition angelegt ist, würdevoll und authentisch übersetzt. Helle Passagen sind nie schrill, dunkle nie breiig, dynamische nicht gestopft und luftige Passagen nicht entleert. Da mag man auch ein bisschen lauter hören - und ist beim vierten Satz plötzlich hellwach!

Denn den laut Mahler sehr behaglich zu spielenden Abschluss eröffnet ein Sopran, in diesem Fall Sónia Grané. Und weil die Einspielung so luftig und offen ist, so kammermusikalisch arrangiert, erschallt ihre Stimme in völliger Natürlichkeit und erhält eine Präsenz, die dem Orchester gleichwertig ist.

Wobei "kammermusiklisch arrangiert" noch zu erklären wäre: Es sind nicht die originalen Orchester-Partituren, nach denen Pinnock dirigiert, sondern Überarbeitungen von zwei Schülern Arnold Schönbergs, die für einen ganz bestimmten Zweck entstanden: Geheime Konzerte, die nie öffentlich angekündigt wurden, bei denen keine Programme auslagen, zu denen man nur per Einladung Zutritt erhielt, die Rezensenten aussperrten und bei denen Applaus verboten war.

Statt fanden sie nach dem ersten Weltkrieg in Wien, organisiert vom Verein für Musikalische Privataufführungen. Gegründet hatte diesen 1918 Schönberg gemeinsam mit Alban Berg um zeitgenössische Musik hören zu können, was der damaligen resitutionellen Strömung ordentlich zuwider lief. Neben Mahler und Debussy gab es auch Konzerte mit Werken von Reger, Strauß, Bartók, Ravel oder Stravinsky - insgesamt etwas über 100 Aufführungen, bevor der Verein 1922 wegen akuten Geldmangels sein Engagement einstellen musste.

Damit die Werke auch mit kleiner Besetzung gespielt werden konnten, wurden viele von Ihnen überarbeitet, teils zu Piano-Versionen, teils zu kammermusikalischen Arrangements. Dem Nachmittag eines Faun gab Schönberg-Schüler Benno Sachs ein schmaleres akustisches Kleid, Mahlers Symphonie Nr. 4 Schönberg-Schüler Erwin Stein, der auch den Verein von 1920 bis zu seiner Schließung leitete.

Zum Glück sind die Arrangements oder - wie im Falle Mahlers - zumindest die Notizen auf der ursprünglichen Partitur erhalten geblieben, so dass sich der Klanggenuss rekonstruieren ließ, so dass wir ihn auch heute noch erleben und in seiner Transparenz neue Details entdecken können.

High Res Mac
03 November 2016