Robin Ticciati & SCO - Haydn: Symphonies 31, 70 & 101 - BR Klassik
Mit großen, kindlich staunenden Augen schaut einen der 32-jährige englische Dirigent Robin Ticciati auf Fotos an - tatsächlich startete der gebürtige Londoner mit italienischen Wurzeln seine Dirigenten-Karriere schon als Teenager. Jetzt wurde bekannt, dass Ticciati 2017 die Leitung des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin übernimmt. Chefdirigent des Scottish Chamber Orchestra bleibt er aber erstmal - die Chemie stimmt, wie auch die neueste CD mit Haydn-Symphonien zeigt.
Lustig schmettern die vier Hörner in der D-Dur-Symphonie Nummer 31 von Joseph Haydn. Beim Scottish Chamber Orchestra klingen sie be-sonders knackig und pfiffig - verwenden die Musiker bei Haydn doch Naturhörner, Naturtrompeten und alte Pauken, die Streicher und Holz-bläser hingegen spielen auf modernen Instrumenten. Und diese Mischung ergibt einen wunderbaren Klang, denn Robin Ticciati sorgt am Pult für Homogenität und Transparenz. Die Symphonie "Mit dem Hornsignal" ist ein früher Geniestreich Haydns. Formal schwankt sie noch zwischen Concerto grosso, Divertimento, Sinfonia concertante - und Serenade, wie der zweite Satz bezaubernd demonstriert.
Graziös zirpendes Fortepiano
Wenn man genau hinhört, kann man hier sogar ein graziös zirpendes Fortepiano als Farbtupfer im Hintergrund wahrnehmen. Solcher Detail-reichtum zeichnet Robin Ticciatis Haydn-Interpretation ebenso aus wie seine unbändige Musizierlust, die etwa zu Beginn der mittleren D-Dur-Symphonie Nummer 70 prachtvoll zur Geltung kommt.
Hochmotiviertes Orchester
Das Scottish Chamber Orchestra ist eine klein besetzte, hochmotivierte Truppe, die instrumentale Brillanz mit klanglicher Flexibilität verbindet. Ebenso wie Ticciati verfolgen die Musiker ganz selbstverständlich und gar nicht dogmatisch einen historisch informierten Ansatz, der auch der späten D-Dur-Symphonie Nummer 101 zugute kommt, 1794 für London geschrieben. Ihr Beiname "Die Uhr" stammt nicht von Haydn - konkrete Tonmalerei wäre ihm zu banal gewesen. Mit dem eigentümlich tickenden Motiv im Andante wollte er vielmehr das Phänomen der musikalischen Zeit und ihrer kompositorischen Ausgestaltung thematisieren. Der Satz ist auch eine Reflexion über das Verhältnis von Metrum und Rhythmus - eine für die Wiener Klassik zentrale Frage.
Dreimal D-Dur
Mit spielerischer Leichtigkeit, federnder Eleganz, sprechender Artikulation und natürlicher Phrasierung bringt Robin Ticciati Haydns geistreiche Satzkunst auf den Punkt. Mit drei D-Dur-Symphonien aus drei kompositorischen Lebensphasen wird die stupende Entwicklung des Symphonikers Haydn exemplarisch vorgeführt - eine Schule des Hörens, wie sie charmanter und lebendiger nicht sein könnte.