Robin Ticciati & SCO - Brahms: The Symphonies - Spiegel
Auch eine Einspielung des symphonischen Brahms-Vierers markiert zunächst nicht gerade musikalisches Neuland. Umso mehr erfreut der Ansatz vom 34-jährigen englischen Pultstar Robin Ticciati, der sich das Scottish Chamber Orchestra als Partner für sein Unternehmen wählte. Geht er den Brahms nicht revolutionär an, vielmehr durchleuchtet er mit kammermusikalischer Akribie und Klangsinnlichkeit die vier Symphonien.
Auch Ticciati muss den Vergleich mit der mustergültigen Einspielung von Chailly und dem Gewandhausorchester aushalten, aber wieder besteht die klare Durchleuchtung des Brahms locker gegenüber der kraftvollen Energie Chaillys.
Wenn man allerdings das auftrumpfende Finale der zweiten Symphonie oder den treibenden, romantisch überschwänglichen Einstieg bei der Ersten auf sich einströmen lässt, spürt man rasch den suggestiven Impetus, der Ticciati offenbar an Brahms' symphonischen Großwerken anzog. Das Scottish Chamber Orchestra erweist sich als optimal geeignet, dieses Temperament, das Ticciati herausarbeiten möchte, flüssig aufzudecken. Alles fließt, alles strömt, diese Fülle präparieren Ticciati und das Scottish Chamber Orchester detailfreudig und präzise heraus. Ohne Effekthascherei, dafür mit viel Gespür für Spannung und Dramaturgie. Gerade darum geriet die Einspielung aller Symphonien so erfrischend und mitreißend.
Seit 2009 ist Robin Ticciati Chefdirigent des Ensembles aus Edinburgh, das erst 1974 gegründet wurde und durch Leiter wie Ivor Bolton und Jukka-Pekka Saraste schnell an Profil gewann.
Robin Ticciatis erste Auftritte als neuer Leiter des Deutschen Symphonieorchesters Berlin festigten seinen Ruf als vielversprechender Chef. Hier folgt er sehr unterschiedlichen Chefs wie Ingo Metzmacher, Kent Nagano oder Vladimir Ashkenazy. Mit seiner ersten Einspielung in Diensten des DSO überzeugte Ticciati auch im französischen Fach: Ein Mann der offenbar Vieles kann, also eine gute Besetzung für das ambitionierte Hauptstadt-Ensemble.