Patricia Kopatchinskaja - Schoenberg: Pierrot lunaire - Pizzicato
Arnold Schönbergs Melodram Pierrot Lunaire, das etwa die Hälfte dieser Einspielung ausmacht, ist ein rätselhaftes Werk. Es vereint expressionistische, surrealistische und kubistische Elemente. Schönberg verwendet verschiedene klassische Formen und Techniken wie Kanon, Fuge, Rondo, Passacaglia und freien Kontrapunkt. Schon atonal, aber noch nicht in der Zwölftontechnik geschrieben, gilt diese Komposition als Meilenstein auf Schönbergs Weg zu seiner modernen Tonsprache. Für das Melodram, für Sprecherin und kleines Ensemble gesetzt, wählte er 21 Gedichte aus dem gleichnamigen Zyklus von Albert Giraud aus. Obwohl es den Zeitgeist der Epoche einfing, hat es nie seine verstörende Aktualität verloren. Die « drei mal sieben » Lieder, wie der numerologisch abergläubische Schönberg sagte, übrigens sein Opus 21, folgen Pierrot durch eine alptraumhafte Atmosphäre unerbittlichen Begehrens, empörender Gewalt, grotesken Sakrilegien und abstoßender Nostalgie. Die Parallelität zu heute ist nicht zu leugnen. Patricia Kopatchinskaja ist hier der Pierrot. Die Stimme hat in ihren Auftritten schon immer mal eine Rolle gespielt, aber meist nur am Rande. Hier übernimmt sie die Hauptrolle, was die Geigerin schon länger im Blick hatte und gefördert durch eine Sehnenscheidenentzündung, die zum Pausieren auf dem Instrument zwang. Die exakte Ausführung fordernde Komposition des Stückes und die Inhalte der Texte fordern eine Sprecherin, die etwas von dieser clownesk übertriebenen, wenn nicht vielleicht sogar verrückten Art in ihr Wesen hat oder zumindest in der Aufführung zum Ausdruck bringt. Und das gelingt Kopatchinskaja ganz außerordentlich. Dazu trägt sicherlich ihre helle, man möchte fast sagen kindlich klingende Stimme bei, der man das Lockere spielerische, aber auch die Artikulationsfähigkeit und den Gehalt der Aussage überzeugend abnimmt. So gelingt es ihr, dieses außergewöhnliche Werk ebenso überzeugend darzustellen. Ihre instrumentalen Begleiter werden meist variierend eingesetzt. Erst im Laufe des Werkes wird die Besetzung voller, das Klavier kann als führend bei den Instrumenten gehört werden. In dieser Einspielung kommt somit Joonas Ahonen diese führende Rolle zu, die er mit Verve ausfüllt. Im Übrigen hat Patricia Kopatchinskaja wieder ihre Rolle als Geigerin. Um das Feld rund um das Hauptwerk zu bestellen, wurden sechs kleine Klavierstücke und die Fantasie für Geige und Klavier von Schönberg sowie Weberns vier Stücke in gleicher Besetzung aufgenommen. Ebenso finden sich Bearbeitungen für den ‘Verein für musikalische Privataufführungen’, der Kaiserwalzer und der kleine Wiener Marsch. Auch bei diesen beiden Werken vernimmt man eine außergewöhnliche Darbietung. Kopatchinskaja und ihre ausgezeichneten Mitgestalter lassen die Komposition von Kreisler wie eine improvisierend gestaltete Tzigankomposition mit Primas erklingen. Und auch der Kaiserwalzer bekommt einen Schmäh, bei dem man nicht so genau weiß, ob er das Wienerische anhimmelt oder durch den Kakao zieht. Dieser Schwebezustand und das wild Ursprüngliche dieser beiden Werke geben ihnen eine völlig neue Sicht, die man so noch nicht vernommen hat, die aber ihren starken eigenen Charme entfalten. Den verbleibenden Werken wird eine dezidiert modern klingende Deutung zuteil.
Arnold Schoenberg’s melodrama Pierrot Lunaire, which makes up about half of this recording, is an enigmatic work. It combines expressionist, surrealist, and cubist elements. Schoenberg uses various classical forms and techniques such as canon, fugue, rondo, passacaglia, and free counterpoint. Already atonal, but not yet written in the twelve-tone technique, this composition is considered a milestone on Schoenberg’s path to his modern tonal language. For the melodrama, set for speaker and small ensemble, he chose 21 poems from Albert Giraud’s cycle of the same name. Although it captured the zeitgeist of the era, it has never lost its disturbing topicality. The « three times seven » songs, as the numerologically superstitious Schoenberg said, incidentally his Opus 21, follow Pierrot through a nightmarish atmosphere of relentless desire, outrageous violence, grotesque sacrilege and repulsive nostalgia. The parallelism to today is undeniable. Patricia Kopatchinskaja is the Pierrot here. The voice has always played a role in her performances, but usually only marginally. Here it takes the lead role, something the violinist had been contemplating for some time and encouraged by tendinitis that forced her to take a break on the instrument. The exact execution demanding composition of the piece and the content of the lyrics call for a speaker who has something of that clownishly exaggerated, if not perhaps even crazy, nature in her being, or at least expresses it in the performance. And Kopatchinskaja succeeds in this quite extraordinarily. Her bright, one might almost say childlike-sounding voice certainly contributes to this, and one convincingly takes away from it the looseness of playfulness, but also the articulation ability and the content of the statement. Thus she succeeds in performing this extraordinary work just as convincingly. Her instrumental accompanists are mostly used in a varying manner. Only in the course of the work does the instrumentation become fuller, and the piano can be heard as leading among the instruments. In this recording, therefore, Joonas Ahonen is given this leading role, which he fills with verve. Incidentally, Patricia Kopatchinskaja again has her role as violinist. To fill the field around the main work, six little piano pieces and the Fantasy for Violin and Piano by Schoenberg have been included, as well as Webern’s four pieces for the same instrumentation. Also included are arrangements for the Verein für musikalische Privataufführungen, the Emperor Waltz and the Little Viennese March. In these two works, too, one hears an exceptional performance. Kopatchinskaja and her excellent co-performers make Kreisler’s composition sound like an improvised tzigan composition with primas. And even the Kaiserwalzer takes on a smirk where you’re not quite sure if it’s idolizing Viennese or taking a swipe at it. This state of limbo and the wild originality of these two works give them a completely new perspective that one has not heard before, but which develop their own strong charm. The remaining works are given a decidedly modern-sounding interpretation.