Magnificat - Where Late the Sweet Birds Sang - Klassik
Interpretation: 4 stars
Klangqualität: 4 stars
Repertoirewert: 4 stars
Lateinische Musik der Tudor-Zeit
Philip Cave und sein Ensemble Magnificat überzeugen mit geistlichen Werken von Robert Parsons, Robert White und William Byrd.
Die lateinische geistliche Musik der englischen Tudor-Zeit ist hochinteressant und steht in enger Wechselwirkung zur religiösen wie ästhetischen Ambivalenz jener Epoche: In den Werken Robert Parsons‘ (ca. 1535-ca. 1572), Robert Whites (ca. 1538-1574) oder William Byrds (ca. 1540-1623) spiegeln sich die Verwerfungen des gesellschaftlichen Widerstreits von anglikanischer Erneuerung und katholischem Beharrungsvermögen ebenso wie die neueren satztechnischen Einwürfe, die der englischen kontrapunktischen Tradition manchen Impuls verliehen. Die so erlangte Kunstfertigkeit des Kontrapunkts fließt sehr elegant, lässt etliches von den Härten und Eigenheiten früherer Phasen entscheidend gemildert erscheinen, gewissermaßen sublimiert wirken. Auch eine gewisse Kühle eignet den im Programm der vorliegenden Platte versammelten Werken. Besonders Byrd tut sich in seiner ausgreifenden Motette 'Domine, quis habitabit' oder seinen Lamentationen zudem als Klangmagier hervor, mit wunderbaren Tiefenwirkungen, unter anderem mit diesem subtilen Klangsinn noch einmal etwas gravitätischer als seine beiden gleichfalls höchstrangig komponierenden Kollegen wirkend. Doch könnten - das liegt im Ohr des Hörers - allein die mit über zwanzig Minuten Dauer weit ausgreifenden Lamentationen von Robert White diese Einschätzung nachhaltig in Frage stellen.
Höchste vokale Kompetenz
Philip Cave hat mit seinem Vokalensemble Magnificat eine in bester englischer Tradition sich befindende Formation etabliert: Die je zweifach besetzten Register sind klar und deutlich profiliert, zugleich sehr schön in einen Kontexte suchenden, absolut harmonischen Gesamtklang verblendet. Alle Stimmen sind charakteristisch und sehr typisch ausgeprägt, was sie plastische Gestalt gewinnen lässt. In allen Sphäre ist eine üppige Expertise versammelt - stellvertretend seien nur der Tenor Benedict Hymas, die Baritone Ben Davies und Eamonn Dougan oder die Bässe William Gaunt, Giles Underwood, Robert Macdonald und Richard Savage genannt. Sie alle sind zu großem, kraftbegabtem Klang befähigt, der immer den Gefahren von Verhärtung oder Eindimensionalität entgeht.
In freien Tempi fließen die weit ausgreifenden Linien im Grunde ideal dahin, kleinere metrische Impulse souverän in dieses großformatige Geschehen integrierend. Die Intonation ist makellos - frei subtil und doch mit einiger Kraft entfaltet, aber immer ohne äußeren Druck gestaltet. Dazu passt das klare, plastisch gestaffelte Klangbild, das von einer sehr tragfähigen Räumlichkeit umgeben ist. Alle Register sind angemessen abgebildet, das Gesamtbild rundet sich zu einem schönen Porträt des Ensembles. Das informative und dezent, aber überzeugend gestaltete Booklet ist rein englischsprachig gehalten - diese ‚splendid isolation‘ ist bei Linn kein neuer Zug und durchaus nicht unsympathisch, eine sprachliche Öffnung zu anderen europäischen Märkten wäre bei der fortgesetzt hohen Qualität der Produktionen des feinen Labels im Interesse einer noch besseren Vermarktung zumindest bedenkenswert.
Philip Cave hat mit seinem Ensemble Magnificat eine bemerkenswerte Diskographie aufgebaut, die bislang neben den Werken Thomas Tallis‘ mit einem bemerkenswerten iberischen Schwerpunkt aufwartete. Aber - angesichts der Vokalisten überrascht das wenig - natürlich zeigt sich die Formation gleichfalls hochkompetent im englischen Repertoire des 16. Jahrhunderts.