Ensemble Marsyas - Edinburgh 1742, Parte seconda - SWR2
Nein, nein, das war kein neu entdeckter Satz aus Händels Feuerwerksmusik. Wir hörten gerade das Finale aus Francesco Barsantis Concerto grosso C-Dur op. 3 Nr. 8, gespielt vom Ensemble Marsyas unter seinem Leiter Peter Whelan. „Barsanti?“, werden Sie jetzt vielleicht fragen, „wer ist denn das?“ Tatsächlich gehört dieser italienische Komponist zu den weniger bekannten Größen aus der Barockmusik. Er stammte aus Lucca, machte aber auf der britischen Insel Karriere – genau wie der fünf Jahre ältere Georg Friedrich Händel. In London kreuzten sich die Wege der beiden, denn Barsanti spielte zeitweilig als Flötist und Oboist in Händels Orchester an der Haymarket Opera. 1735 aber zog er weiter gen Norden, nach Schottland, und wirkte dort als Master an der Edinburgh Musical Society. Das war eine bürgerliche Musikgesellschaft, die von Juristen, Kaufleuten und Ärzten getragen wurde, also von Liebhabern, die gemeinsam musizierten. Für sie schuf Francesco Barsanti seine zehn Concerti grossi op. 3, die zweifellos auch den Einfluss Händels zeigen. Und doch geht Barsanti eigene Wege. Wie etwa im viersätzigen C-Dur-Konzert op. 3 Nr. 7, das eigenwillig zwischen repräsentativem Orchesterklang und intimer Kammermusik pendelt.
Das britische Ensemble Marsyas und sein Leiter Peter Whelan, die in Edinburgh beheimatet sind, spielten das siebte Concerto grosso aus Francesco Barsantis Opus 3, das 1742 für die Edinburgh Musical Society entstanden ist. Das Concerto grosso war ja eine der großen Erfolgsgeschichten im 18. Jahrhundert, eine Art Wundertüte, mit der alles möglich war. Genau das beweist Barsantis Musik, die so gar nicht standardisiert ist, weder im Ausdruck noch in der Form. Barsanti hat sogar den Mut, die Besetzung im dritten Satz auf ein Duo zu reduzieren und nur noch zwei Violinen allein musizieren zu lassen, beide zusätzlich abgedimmt mit Dämpfer. Oder denken Sie an das Finale, das wir zuletzt gehört haben: Dort verschachtelt Barsanti gleich zwei Menuette ineinander – ein prächtiges in C-Dur für das ganze Ensemble und ein intimes in c-Moll für die Streicher allein, deren Anzahl er noch sukzessive minimiert. Der Effekt ist wie bei einem Zoom: Barsanti leitet uns von außen ins Innere des Werks hinein, die Musik wird aufgefächert und wirkt genau dadurch so individuell. Das Ensemble Marsyas interpretiert die Werke mit gelassenem Schwung, ohne Überdruck und Hektik. Selbst die Fanfaren wirken spielerisch und gar nicht aggressiv; sie erscheinen nicht als Nachhall der Militärmusik, sondern als Ausdruck vergnügter Lebensfreude. Eine schöne Beigabe dieser neuen CD sind einige Scotch Tunes, schottische Volksweisen, die Francesco Barsanti in Edinburgh kennengelernt und bearbeitet hat. Der Geiger Colin Scobie aus der Violingruppe des Ensembles hat sie mit Elizabeth Kenny an der Barockgitarre aufgenommen – mal melancholisch, mal rasant. Hier kommen jetzt „Dumbarton’s Drums“ und „Cornriggs Are Bonnie“.
Na, bei diesem mitreißenden zweiten Scotch Tune von Francesco Barsanti, bei „Cornriggs Are Bonnie“, hält es wohl keinen mehr auf seinem Platz. Wenn man dazu tanzen wollte, dann würde man allerdings ganz schön außer Puste geraten. Man könnte sich vorstellen, wie der Geiger Colin Scobie und die Gitarristin Elizabeth Kenny mit diesem Stück am Ende eines Konzerts durchs Publikum ziehen und alle und alles in Bewegung setzen – ein wunderbares Encore. Womit wir schon beim ersten Kehraus für dieses Jahr gelandet wären.