Dunedin Consort - Mozart: Requiem - Klassik
Interpretation: 4 star
Klangqualität: 4 star
Ohne SchlackenJohn Butt und sein Dunedin Consort nehmen sich nach etlichen Produktionen mit Werken von Bach und Händel nun Mozarts Requiem vor: auch hier mit sehr ansprechenden Ergebnissen.
Mozarts Musik ist den maßgeblichen Interpreten der Alten Musik seit langem Gegenstand der Auseinandersetzung - oft fruchtbarer Beschäftigung. Das gilt natürlich auch für das wohlbekannte Requiem. Und so überrascht es nicht, dass das schottische Dunedin Consort sich dieses Werk vornimmt - freilich nicht, ohne einen eigenen Akzent zu setzen. Und das auf eine Weise, die im ersten Moment überraschen kann: Man versucht, sich in Notenmaterial, Besetzung und Ansatz der ersten Aufführung des Werks anzunähern - eine große Portion Ur-Süßmayr inklusive. Das ist in der Gegenwart fast schon wieder ein avantgardistischer Ansatz, nach all dem Misstrauen, das man dem Vervollständiger des Torsos in der jüngeren Vergangenheit entgegengebracht hatte. Ein Argument, das John Butt, der Leiter des Dunedin Consorts orbringt, überzeugt durchaus: Süßmayr hat den deutlichen Vorzug, sehr nah am kreativen Prozess Mozarts gewesen zu sein.
Butt wirft mit seinen bei Bach und Händel so deutlich profilierten Kräften einen frischen Strahl hellen Lichts auf die frühe Rezeption, auf den Anfang der langen Aufführungstradition. Dezidiert zum Beispiel bei der Besetzung: Der Chor ist einschließlich der vier Solisten mit sechzehn Vokalisten besetzt, darin dem über lange Zeit Üblichen recht deutlich widersprechend. Es ist im Ergebnis ein Mozart, der aus der Vergangenheit verstanden wird. Das ist alles andere als ein Fehler und funktioniert gerade bei der Kirchenmusik Mozarts sehr deutlich, die manchen hörbar konservativen Zug trägt - zum Beispielin den Fugen des 'Kyrie' oder des 'Osanna', die deutlich aus der Tradition motiviert und doch alles anderes als überkommen wirken.
Erfrischende Deutung
Das hat viel mit der noblen Gesangskultur des feinen Chors des Dunedin Consorts zu tun: Der singt in sehr konzentrierten Registern von außergewöhnlicher Plastizität, wird recht deutlich, aber schlüssig von den Solisten angeführt, auf diese Weise geradezu ideale Übergänge zwischen der solistischen und der chorischen Ebene mitgestaltend. Solistisch sind die Sopranistin Joanne Lunn, die Altistin Rowan Hellier, der Tenor Thomas Hobbs und der Bass Matthew Brook zu hören - sämtlich versierte Protagonisten der Alten Musik. Sie bringen ein gutes Maß an schlanker Disposition und natürlicher Eloquenz ein. Aber auch geschmackvolle, kontrollierte dynamische Expansion ist den Vokalisten nicht fremd.
Das Orchester ist in eher schmaler Besetzung ein wahrlich pulsierendes Instrument, das dem etwas abgedroschenen Wort vom Klangkörper neues Leben einhaucht - so gemeinsam überzeugen die Instrumentalisten bei aller hörbaren individuellen Klasse und Exzellenz. Es wird glänzend artikuliert, klar, gestochen scharf, plastisch und musikalisch zielgerichtet in etlichen knackigen,deutlich zeichnenden Begleitfiguren. Auch lyrisch Passagen sind nicht formlos, werden ebenso konsequent strukturell ausgeleuchtet. John Butt wählt maßvolle Tempi, gestaltet ein insgesamt frisches Tableau. Und auch dynamisch muss man keine Bedenken haben, dass hier blutarm zu Werke gegangen wird: Natürlich ist die Ausgangsbasis kein ‚gesundes Mezzoforte‘, wie in so vielen Durchschnittsdeutungen. Grundlage ist das fein Empfundene, das sich freilich überzeugend und auf bemerkenswert natürliche Weise steigern lässt, auch in diesem interpretatorischen Zugriff. Das Klangbild schließlich bildet das Geschehen absolut angemessen ab, ist schlank, klar, steckt voller struktureller Details, wirkt exzellent gestaffelt und befindet sich in sehr guter Balance.
John Butt und dem Dunedin Consort gelingt eine sehr delikate Deutung, dank schlanker Besetzung glückt das Vorhaben sehr deutlich. Niemand muss auf dynamische Expansion verzichten, freilich geraten die fragilen, auch strukturell ambitionierten Abschnitte besonders vorzüglich. Das Lyrische wird bei aller hörbaren Eloquenz nicht vernachlässigt - entgegen möglicher Vorbehalte dem Ansatz der Alten Musik gegenüber, man höre nur das wunderbare 'Lacrimosa' - allerdings treibt das versierte Dunedin Consort den schönen Linien alle dunstige Gefühligkeit aus. Im Ergebnis ein Mozart von erfrischender Beredsamkeit.