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The Avison Ensemble - Corelli: Opus 6 - Codaex

Arcangelo Corelli (1653-1713) war zweifellos einer der „Top-Stars" im Italien der Barockzeit, und wenn er heute auch nur für einen relativ kleinen Teil seiner Werke berühmt ist: er ist es doch immer noch, und zwar in denkbar weiten Kreisen! So schön und eingängig seine Musik ist, so gewiss ist sein historischer Rang als ein Künstler, der die europäische Musikgeschichte entscheidend geprägt hat. Corelli, der ja nicht „nur" Komponist, sondern auch ein herausragender Violinist war, hinterließ seine Spuren in der Entwicklung der Violintechnik, die sogar die Geigenbaugeschichte messbar beeinflussten. Sein kompositorisches Vermächtnis aber wird man zuerst in Op. 6 zu suchen, den Concerti Grossi, mit denen Corelli Gattungsgeschichte geschrieben und eine - bis heute ganz zu Recht populäre - Summe seiner Kunst formuliert hat. Schon die biographischen Umstände sprechen dafür, diesen wohlbekannten zwölf Konzerten doch immer wieder neue Aufmerksamkeit zu widmen: Während ihre Entstehung bis in die frühen 1680er zurückreicht, setzte Corelli die Kraft seiner letzten Jahre in ihre Überarbeitung, die in ihrer posthumen Veröffentlichung im Jahre 1714 ihr Ziel fand. Nun hat das Avison Ensemble unter der Leitung des Violinisten Pavlo Beznosiuk dieses Testamtent, das zu den strahlendsten seiner Art gehört, als Ausgangspunkt für eine komplette Einspielung der Kammermusik Arcangelo Corellis gewählt, die bei dem audiophilen englischen Label Linn Records erscheint. Gelungen ist ihnen, das sei gleich verraten, ein begeisternder, fulminanter Aufbruch ins Corelli-Jahr 2013, in dem sich der Tod des Maestro zum 300. Mal jährt. 

Wie bereits vor zwei Jahren, als das Avison Ensemble mit den Concerti Grossi von Georg Friedrich Händel überzeugte (s. die Rezension von Sal Pichireddu), hebt sich auch diese Einspielung wohltuend von allen denkbaren Klischees ab, die man von Interpretationen auf Originalinstrumenten haben mag. In recht kleiner, aber nicht zu kleiner Besetzung entwickeln die durchweg exzellenten Musiker genau die richtige Dosis an Kraft, um eine pulsierende, strahlende Interpretation auf den Weg zu bringen, die absolut nichts an Präzision und Klarheit vermissen lässt. Zupackend und von großer Spielfreude beseelt kommt der hohe Gänsehautfaktor dieser Musik zum Tragen, aber nie zu Lasten jener Genauigkeit im Detail, mit der Beznosiuk und seine Mitstreiter den ebenso weiten wie perfekt ausbalancierten Einfallsreichtum Corellis herausarbeiten.

Das Booklet der hübsch aufgemachten Ausgabe bietet einen längeren, lesenswerten englischen Text von Simon D. Fleming über Werk und Komponist, in dem vielleicht noch ein paar Details zu den einzelnen Concerti gut aufgehoben gewesen wären. Darüber hinaus aber, und das ist mehr als eine schöne Nebensächlichkeit, werden alle Instrumente namentlich vorgestellt, die auf dieser Doppel-CD erklingen, und unter denen sich erstaunlich viele barocke Arbeiten unserer Zeit finden. Als Geigenbauer kann man sich kaum eine bessere Referenz wünschen, und so sei diese Veröffentlichung auch denjenigen Musikern ans Herz gelegt, die auf der Suche nach einem hervorragenden neuen Instrument alter Bauart sind.

Aber nicht nur deshalb bin ich versucht, diese CD zu einer Muss-Anschaffung für aktive Streicher zu erklären. Ihre enorme Frische wird jedem gut tun, der sich an der Interpretation der Concerti Grossi versucht - und das sind gerade in der Weihnachtszeit, zu deren „Hits" das Concerto Nr. 8 in g-Moll ‚fatto per la Notte die Natale‘ (zu Deutsch für die Weihnachtsnacht gemacht) gehört, ja traditionell nicht wenige. Die besondere CD, erschienen im September 2012.

Codaex
23 October 2012