Aldeburgh Strings - Britten: Serenade - Der neue Merker
Aldeburgh Music‘s Britten-Pears Young Artists Pragramme steht an der Wiege des 2010 gegründeten exzellenten Streicherensembles Aldeburgh Strings. Packend, fesselnd und faszinierend zugleich ist es, hier Britten quasi authentisch serviert zu bekommen. Die vorliegende CD bildet den Abschluss eines Projektes, das Aufnahmen, die rund um den hundertsten Geburtstag Brittens 2013 entstanden sind, vereint. Nur der „junge Apollo" ist ein Nachzügler, der erst am 4. April 2015 aufgenommen worden ist. Deswegen ist dieser „Young Apollo" um nichts weniger attraktiv. Im Gegenteil. Mit welcher Verve wirft sich der Komponist Britten und seine jungen akkuraten Interpreten in die Aufgabe, in diese Fanfare für Klavier (Lorenzo Soulés), Streichquartett und Streichorchester den Geist von Keat‘s Hyperion zu pflanzen. Brittens kurzes, aber prächtiges Tongemälde lässt diesen neuen Sonnengott Apollo, der vor strahlender Vitalität birst, in schillernden Tönen vor uns auferstehen.
Nicht weniger aufregend, aber in ganz anderem Gewande, präsentieren sich die Lachrymae (grandios Máte Szücs Viola). Benjamin Britten hat sein Werk 1950 für den Bratschisten William Primrose geschrieben. Zum 350. Todestag von Dowland gestaltete Britten den Klavierpart für Streichorchester. Die musikalischen Reflexionen auf Dowland‘s Song „If my complaints could passions move" enthalten zehn variationsähnliche in einander übergehende thematische Bearbeitungen. Bei diesem Werk erweist die hohe Qualität des unter dem Dirigenten Markus Däunert mit hoher Innenspannung spielenden Orchesters als besonders wirkungsvoll und eindringlich. Ein Sonderlob gebührt den fantastischen Violinen.
Das kurze Prelude und Fugue Op. 29 führt über zum Herz der CD, der berühmten Serenade für Tenor, Horn und Streicher. Mit diesem orchestrierten Liederzyklus in sechs Teilen inkl. Prolog und Epilog für Solohorn (Dennis Brain spielte in der Uraufführung) erkundete Britten die musikalischen und rhythmischen Möglichkeiten der englischen Sprache. Wie erfolgreich er das tat, zeigt sich nicht zuletzt am großen Erfolg und Popularität dieser nächtlichen Gesänge. Auf der vorliegenden Aufnahme singt Allan Clayton, Spezialist für Alte Musik, die elegischen Lieder mit großem Einfühlungsvermögen, schwebenden Höhen und vibratolosen Piani. Für mich persönlich klingt sein Timbre aber „weiß-neutral". Dass Peter Pears hier als stilistischer Pate fungiert hat, ist kein Nachteil, ruft aber dennoch historisierende Assoziationen wach. Ein wenig mehr Individualität und Eigenmarke hätten nicht geschadet. Richard Watkins spielt das französische Horn ohne Fehl und Tadel, technisch brillant und mit großem Engagement. Diese auch klangtechnisch hervorragende CD bildet einen weiteren leuchtenden Mosaikstein in der Rezeption dieses bedeutendsten britischen Komponisten des 20. Jahrhunderts.